In Dänemark kam es zu Beginn der 70er Jahre zu einer sog. „Erdrutschwahl“, bei der eine Protestpartei mit gewisser Ähnlichkeit zu der Partei DIE PARTEI mit 15,9% ins dänische Parlament einzog. Das Zugpferd dieser Partei war der Jurist und Provokateur Mogens Glistrup, der eine gewisse Ähnlichkeit zu Martin Sonneborn aufwies. Kernforderungen der Fortschrittspartei waren die Abschaffung der Einkommenssteuer und der Austritt aus NATO, UN und dem Nordischen Rat. Die Armee sollte ferner durch einen Anrufbeantworter ersetzt werden, mit den Worten „Wir ergeben uns“, da Dänemark ohnehin nicht verteidigt werden könne. Solche Forderungen mögen witzig klingen, sie sind jedoch komplett absurd, weil sie in der Praxis vollkommen unrealisierbar sind.

Politischen Einfluss konnte die Partei nicht gewinnen, denn anfänglich wurde von der etablierten Konkurrenz jegliche Zusammenarbeit abgelehnt. Als dann jedoch im Jahre 1975 zumindest rechnerisch eine Koalition mit der bisherigen Regierungspartei, der konservativ-liberalen Venstre, möglich wurde, wurde diese von Gilstrup verhindert. Das Ergebnis war eine sozialdemokratische Minderheitsregierung.

In der Folge kam es zu Spaltungen innerhalb der Fortschrittspartei, zur Gründung von diversen Splitterparteien und letztlich zur Auflösung. Gilstrup setzte seine politische Aktivität fort, wurde zunehmend zum Einwanderungsgegner und wurde mehrfach wegen volksverhetzenden Äußerungen verurteilt.

Diese Geschichte kann man als isolierte Abfolge von Ereignissen verstehen, quasi als eine Geschichte eines politischen Experiments und seines Niedergangs. Interessanter ist jedoch ein anderer Ansatz, der in einer Gesamtschau besteht und dabei zielgerichtetes Handeln unterstellt. Man kann in diesen Vorgängen nämlich auch den Versuch erblicken, eine politische Richtung gezielt handlungsunfähig zu machen, und damit der Gegenseite ins Amt zu verhelfen. Gilstrup hat es geschafft, das liberal-konservative Lager in Dänemark erst zu spalten, dann zu blockieren und es im letzten Schritt in die Opposition zu zwingen. Ob er dies von Anfang an beabsichtigt hat, oder ob es an Dummheit lag, darüber lässt sich durchaus spekulieren. Journalisten haben ihn sogar schon für „verrückt, aber harmlos“ erklärt. Was man dabei jedoch nicht vergessen sollte, ist der Umstand, dass Gilstrup im juristischen Staatsexamen einst das drittbeste Ergebnis in der dänischen Geschichte erzielt hat. Wer weiß, dass es in juristischen Staatsexamen im Kern um das Lösen von Denksportaufgaben geht, weiß auch, dass dieser Mann mit Sicherheit weit überdurchschnittlich intelligent war. Dummheit scheidet damit aus.

Ferner sollte man nicht vergessen, zu welcher Zeit er politisch aktiv wurde. Anfang der 70er Jahre gab es sozialdemokratische Regierungen in Schweden, Norwegen, England, Deutschland und Österreich. Wenn man Methode und Zielrichtung mit heute vergleicht, zeigen sich Parallelen, zuletzt in Frankreich. Last but not least darf man auch nicht vergessen, wie Willy Brandt, der bislang einzige Bundeskanzler, der unter seinem Decknahmen bekannt geworden ist, im Jahre 1969 an die Regierung gekommen ist. Dieser Coup gelang nur, weil es die NPD unter der Führung eines britischen Agenten geschafft hatte, bei der Bundestagswahl 4,3% der konservativen Stimmen unter die 5%-Hürde zu ziehen. Andernfalls wäre es nicht zur Koalition mit der CDU gekommen. Die Entwicklung in Deutschland war Gilstrup bekannt, als sich in Dänemark medienwirksam als Populist in Szene gesetzt hat. Daran besteht kein Zweifel.

Interessant ist auch, wie die Geschichte in Dänemark weiterging. Während Gilstrup wegen Steuerhinterziehung einen Zwangsurlaub hinter schwedischen Gardinen einlegen musste, wurde die Partei von Pia Kjærsgaard geführt, die nach seiner Rückkehr die Partei verließ und die Dänische Volkspartei gründete. Diese stützte 1998 einen konservativen Regierungswechsel. Wie man sieht, bedurfte es einiger Anstrengungen, um diese Spaltung zu beenden. Seit 2019 ist mit Mette Frederiksen wieder eine Sozialdemokratin an der Macht. Wenig überraschend gab es im Vorfeld der Wahl auch eine neue rechte Splitterpartei, die einen strammen Kurs propagierte. Sie verpasste mit 1,79% den Einzug ins dänische Parlament. Der Trick klappt offenbar immer wieder.