Während Bundeskanzler Scholz einen eher zurückhaltenden Eindruck macht, gilt dies nicht für seine Innenministerin Nancy Faeser. Die neuste Idee aus ihrem Ministerium ist das lange erwartete, und von Verschwörungstheoretikern, Spinnern und Ewiggestrigen befürchtete, feste Bleiberecht für Geduldete. Schon Kanzlerin Merkel verkündete bekanntlich einst, ihr Plan sei, aus Illegalität Legalität zu machen.

Wo liegt überhaupt ein Problem? Die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung hatte bereits 2015 in einem Interview beim Tagesspiegel behauptet, größte Bankrotterklärung der deutschen Politik nach der Wende sei, dass sie zuließ, dass ein Drittel des Staatsgebiets weiß geblieben ist. Wer sich ganz weit zurückerinnert weiß, dass der amerikanische Paläoanthropologe Earnest Hooton im Jahre 1943 bereits ähnliche Ansichten vertreten hat, was man gerne als Verschwörungserzählung bezeichnet, obwohl es damals in der Zeitung stand. Bereits 2012 hatte der UN-Migrationsbeauftragte die EU-Staaten dazu aufgerufen, ihre nationale Homogenität zu unterminieren. Ok, das Wording war vielleicht ideal, aber eigentlich müsste doch alles in bester Ordnung sein.

Der Teufel steckt jedoch wie immer im Detail: Die grundgesetzliche Wertungen, dass der dauerhafte Aufenthalt von Ausländern in Deutschland ein Verbot mit Ausnahmevorbehalt ist, und, dass die Bundesrepublik ihre Landesgrenzen schützt, indem sie die Bundespolizei (vormals „Bundesgrenzschutz“) für einen unbewaffneten Angriff, und die Bundeswehr für einen bewaffneten Angriff auf die Grenzen (Verteidigungsfall) vorhält, werden damit unterlaufen.

Rückblende: Mit dem Vertrag von Maastricht, zu dessen Unterzeichnung sich Helmut Kohl im Rahmen der Wiedervereinigung verpflichtet hatte, wurde das Einstimmigkeitsprinzip in der EU weitgehend durch das Mitentscheidungsverfahren ersetzt. Da Brüssel im Kern dieselben Kompetenzen besitzt, wie die Alliierte Hohe Kommission zur Zeit des Besatzungsstatuts, war zu erwarten, dass demnächst EU-Regelungen zum Status von sog. „displaced persons“ kommen werden, die Deutschland nicht mehr einseitig blockieren kann. Deshalb wurde im Jahre 1993 von Union und SPD der sog. „Asylkompromiss“ beschlossen und in Art. 16a Abs. 2 GG eine Ausnahme bezüglich der Herkunft aus sicheren Drittstaaten eingeführt. Das hat zunächst auch funktioniert.

Nun sind unsere Freunde und Partner in Brüssel natürlich nicht auf den Kopf gefallen und haben nach Möglichkeiten gesucht, um diese Regelung zu umgehen. Die Patentlösung bestand in der Schaffung der sog. „Subsidiären Schutzberechtigung“ im Jahre 2004 (Richtlinie 2004/83/EG), aufgrund derer die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet wurden, auch solchen Personen den Aufenthalt zu gewähren, die nicht asylberechtigt sind. Beginnend im Jahre 2002 erließ die EU eine ganze Reihe von Richtlinien, die im Jahre 2007 durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union von der großen Koalition (Merkel I) umgesetzt wurden. Im Dezember 2013 wurde die überarbeitete Qualifikationsrichtline umgesetzt. Damit war man in der Lage, die Politik der Obama-Administration im Syrienkonflikt zu unterstützen. Da Mitte 2013 klar war, dass der Regimechange nicht wie geplant funktionieren wird, sollten die Ortskräfte und deren Framilien, im Gegensatz zu Vietnam, nicht in der Höhle des Löwen zurücklassen werden. Die Richtline selbst stammt aus dem Jahre 2011 und sollte ursprünglich dazu dienen, den von der CIA ausgelösten „Arabischen Frühling“ zu bewältigen.

Was viele Gegner des Bleiberechts nicht verstehen, ist der Umstand, dass diesen Personen in Syrien die Verfolgung droht, auch nachdem der eigentliche Konflikt vorüber ist und sich dort langsam wieder die Normalität einstellt. Wer sich die Frage stellt, warum ausgerechnet die deutschen Steuerzahler dieses Problem lösen müssen, hat die Rolle Deutschlands in der europäischen Nachkriegsordnung nicht verstanden. Die Antwort gab Franz Josef Strauß bereits im Jahre 1966, und Wirtschaftsminister Dr. Habeck hat diese Einschätzung sinngemäß erst kürzlich wiederholt. Merke: Wer damit nicht einverstanden ist, darf gehen. Für diesen freundlich gemeinten Hinweis auf das Recht zur Auswanderung, das im Gegensatz zur DDR-Verfassung von 1949, nicht explizit im Grundgesetz der BRD verankert ist, wurde der Kasseler Regierungspräsident ermordet. Das erklärt, warum Faesers „Kampf gegen Rechts“ so wichtig ist.

 

Update (10.06.2022): Tolle Idee. Klappt bestimmt. Warum habe ich eigentlich noch nie FDP gewählt? Im Jahre 1953 gab Hasso von Manteuffel noch die Parole aus: Leben aus eigener Kraft, oder Untergang. Mittlerweile musste man bei der FDP erkennen, dass Ersteres mangels eigener Kraft unmöglich ist.